Einstein Lectures 2024
Susan R. Wolf hielt die Einstein Lectures 2024. Die renommierte amerikanische Philosophin Susan R. Wolf erörterte an drei Abenden, was uns zu Menschen macht:
Lecture 1: Montag, 11. November, 19.30 Uhr – On Being Distinctively Human
Lecture 2: Dienstag, 12. November, 17.15 Uhr – Character and Agency
Lecture 3: Mittwoch, 13. November, 19.30 Uhr – Freedom for Humans
Zur Person
Susan R. Wolf war bis zu ihrer Emeritierung 2022 Inhaberin der angesehenen Edna J. Koury Distinguished Professur für Philosophie an der Universität von North Carolina in Chapel Hill. 2022 erhielt Wolf in Bern den internationalen Lauener Preis für herausragende Arbeiten in analytischer Philosophie.
Video Lectures 2024
Lecture 1, Montag, 11.11.2024
Über die Besonderheit des Menschseins (On Being Distinctively Human)
Spätestens seit dem 17. Jahrhundert unterscheidet die Philosophie die Zugehörigkeit zur Spezies Homo sapiens von der moralischen Persönlichkeit des Menschen, der sie erhebliche ethische und praktische Bedeutung beimisst. Es gibt jedoch weitere nichtbiologische Merkmale, die auf ein ethisches Verständnis des Menschseins verweisen – allerdings ohne dem philosophischen Standardverständnis der moralischen Persönlichkeit zu entsprechen.
Der Vortrag untersucht die Vielfalt solcher Merkmale und Fähigkeiten, die «Wesen wie wir» von anderen Tieren, künstlichen Intelligenzen sowie imaginären göttlichen und ausserirdischen rationalen Individuen unterscheiden. Zuvor werden der Nutzen und die Gefahren, auf die Idee des «spezifisch Menschlichen» zu fokussieren, reflektiert.
Lecture 2, Dienstag, 12.11.2024
Charakter und Handeln (Character and Agency)
Wir denken oft, dass der Charakter einer Person das Tiefste und Wichtigste an ihr ist, ja, dass er ihre Kernidentität oder ihr «Selbst» ausmacht. Aber was gehört zum Charakter einer Person, im Unterschied zum Rest ihrer Psyche? Die Vorlesung weist eine verbreitete, philosophisch geprägte Auffassung als zu eng und zu vage zurück, die den Charakter eines Menschen nur anhand von Eigenschaften identifiziert, welche seine Werte widerspiegeln.
Denn der Charakter kann sehr wohl Eigenschaften einschliessen, die wir nicht bejahen oder nicht einmal kennen. Und selbst wenn wir einen Wert bejahen und ihn in unseren Handlungen zum Ausdruck bringen, mag es verfehlt sein, diese Bejahung als Aspekt unseres Charakters zu begreifen. Ein vertieftes Verständnis von Charakter, das diese Einsichten aufnimmt, vermag überdies den Weg zu einer Auffassung des menschlichen Handlungsvermögens zu ebnen, die weniger mit Handlungen und Absichten zu tun hat, als wir gemeinhin glauben.
Lecture 3, Mittwoch, 13.11.2024
Freiheit für Menschen (Freedom for Humans)
Schon immer hat die Philosophie folgender Gedanke beunruhigt: Wenn der Determinismus recht hätte und alle Ereignisse vorherbestimmt wären, könnten wir nicht anders handeln, als wir es tatsächlich tun. Dann aber wäre es nicht zu rechtfertigen, dass wir uns gegenseitig für unsere Handlungen verantwortlich machen. Dennoch tun wir dies im Alltag ständig, ohne uns zu sorgen, dass der Determinismus die Rechtfertigung dafür untergraben könnte. Warum ist das so?
Dieser Vortrag argumentiert, dass das vom Determinismus aufgeworfene Problem insofern falsch verstanden wurde, als es dazu verleitet, sich auf das Anders-handeln-Können zu konzentrieren. Wenn irgendetwas durch den Determinismus bedroht ist, dann nicht unsere Fähigkeit anders zu handeln, sondern der Sinn, der durch unser Handeln zum Ausdruck kommt. Genauer gesagt: Der Determinismus stellt die Frage in den Vordergrund: Wie können unsere Handlungen die Bedeutung haben, die wir ihnen zuschreiben? In der Sprache der beiden vorangehenden Vorlesungen: Wie können unsere Handlungen als Ausdruck der Persönlichkeit, die wir zu sein glauben, interpretiert werden?